WPC ermöglicht Automatisierung im Schaltanlagenbau

WPC ermöglicht Automatisierung im Schaltanlagenbau

Es wird viel über Automatisierung gesprochen. Aber wie geht das im Schaltanlagenbau, vor allem wenn man nicht in großen Serien, sondern individuell in Kleinserien fertigt? Sikom-Essra, Anlagenbauer aus Wilhelmsburg an der Traisen, hat dafür eine Lösung gefunden. Das Wire Processing Center von Weidmüller.

„Die Zeit ist zur größten Herausforderung im Schaltanlagenbau geworden. Am besten wäre es, wenn wir ein bis zwei Tage nach Auftragserteilung schon liefern könnten. Realistisch sind mit Materialbestellung, Verteilerbau, Werksprüfung und Auslieferung drei bis vier Wochen je nach Größe der Anlage“, erzählt Roland Höbling, Bereichsleitung bei Sikom-Essra von den Anforderungen, die sich in den letzten fünf bis zehn Jahre geändert haben. Daher ist Automatisierung in der Werkstatt seit langem ein wichtiges Thema, dem man laufend nachgeht. Das Unternehmen beschäftigt sich neben Planung, Fertigung und Inbetriebnahme von Standard- und Sonderverteilern sowie typengeprüften Schaltanlagen bis 6300 A auch mit der Sicherheits- und Kommunikationstechnik. Die Spezialgebiete Medientechnik und Smart Building Programmierung ergänzen seit 2016 das Portfolio. „Sikom-Essra ist ein Schwesternunternehmen der Schmied & Fellmann Elektroinstallationen GmbH. Diese wiederum ist auch unser größter und wichtigster Kunde in den Bereichen Industrie, Gewerbe und Wohnbau“, erklärt DI (FH) Mario Fellmann, Geschäftsführer bei beiden Unternehmen, die zusammen Teil der JIMT GmbH sind.

Wir schauen schon seit längerem, wie wir in der Fertigung effizienter werden und Zeit einsparen können.

Roland Höbling, Bereichsleitung bei Sikom-Essra

Einsparungspotenzial Drahtkonfektionierung

„Wir schauen schon seit längerem, wie wir in der Fertigung effizienter werden und Zeit einsparen können“, erinnert sich Roland Höbling. Kabelkonfektionierung, Verdrahtung und Markierung gehören nach wie vor zu den zeitintensivsten Tätigkeiten im Schaltschrankbau. Höbling ergänzt daher: „Wir haben in der Drahtkonfektionierung noch Einsparungspotenzial erkannt und uns am Markt nach einer Lösung umgesehen.“ Bislang griff man in der Werkstatt noch zu den klassischen händischen Abläufen und Werkzeugen: Draht abzwicken, isolieren, Aderendhülsen aufstecken, abcrimpen und schließlich den Draht anschließen. „Das ist ein enormer Zeitfaktor. Vor allem bei 150.000 Hülsen pro Jahr, die wir verarbeiten“, fasst Höbling eine enorme Aufgabe zusammen. „Zusätzlich muss man dauernd die Werkzeuge und die Hände wechseln. Außerdem sind die Drähte und Hülsen sehr kleinteilig, ohne Brille geht da gar nichts“, ergänzt der Bereichsleiter schmunzelnd. Laut der Studie „Schaltschrankbau 4.0‟ des Instituts für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen der Universität Stuttgart werden im klassischen Schaltschrankbau 72 Prozent der Arbeitszeit in der Installationsphase für die Verdrahtung und mechanische Bestückung aufgewendet.

Mobile Einheit

Um die Drahtkonfektionierung entsprechend der Anforderungen und der Möglichkeiten zu automatisieren, haben sich die Verantwortlichen am Markt umgesehen. Allerdings sind die Stückzahlen beim niederösterreichischen Schaltanlagenbauer zu klein und auch viel zu kundenspezifisch, um ein vollautomatisiertes System für die Großserienfertigung einzusetzen. Eine große Anlage würde sich für das Projektgeschäft des Schaltschrankbauers noch nicht rentieren. Die passende Lösung hat man bei Weidmüller gefunden. Mit dem Unternehmen arbeitet Sikom-Essra schon viele Jahre zusammen. Das Unternehmen bietet mit dem Wire Processing Center kurz WPC eine halbautomatisierte Kabelkonfektionierung und Markierung an. Genau die richtige Lösung für die Anforderungen bei Sikom-Essra, die nun seit sechs Monaten in Wilhelmsburg im Einsatz ist. Das Center besteht aus einem Ablängautomaten, einem Abisolier- und Crimpautomaten sowie einem Thermotransferdrucker. Alle Komponenten des WPCs können aber auch im Stand-Alone Modus ihrer jeweiligen Einzelfunktionen genutzt werden. „Der ganz große Vorteil ist der fahrbare Werkzeugwagen, auf dem alles Platz hat. Damit ist der kompakte Arbeitsplatz überall dort positionierbar, wo er gebraucht wird“, ergänzt Paul Kalteis, Anwendungstechniker von Weidmüller Österreich. Das ständige Pendeln zwischen Montageort und Arbeitsplatz entfällt damit. Das findet auch Roland Höbling gut: „Auch wenn wir den Wagen selten bewegen müssen, war das ein wichtiges Entscheidungskriterium für uns.“

Der ganz große Vorteil ist der fahrbare Werkzeugwagen, auf dem alles Platz hat. Damit ist der kompakte Arbeitsplatz überall dort positionierbar, wo er gebraucht wird.

Paul Kalteis, Anwendungstechniker von Weidmüller Österreich

80 % schnellerer Arbeitsprozess

„Die Software navigiert den Monteur intuitiv durch den Konfektionierungsprozess und kontrolliert die korrekte Abarbeitung einzelner Arbeitsschritte“, erklärt Kalteis. Diese teilautomatisierte Kabelkonfektionierung beschleunigt den Arbeitsprozess um bis zu 80 Prozent, da die Kabel automatisch passend abgelängt werden, während gleichzeitig schon die Leitermarkierer gedruckt werden. Der Anwender muss nur noch die Markierer aufstecken und die Leiterenden in den Crimpautomaten einführen. Dieser hat sich – gesteuert durch die Software – automatisch auf den korrekten Leiterquerschnitt eingestellt. Bedienfehler durch den Anwender werden damit vermieden. Mit dem WPC lassen sich Leiterquerschnitte von 0,5 mm2 bis 2,5 mm2 (~ AWG 20 – 14) verarbeiten. Ein weiterer Vorteil ist das integrierte Kabelzuführungssystem für Kabelrollen direkt am WPC oder die Zuführung von vorgelagerten Systemen z. B. für größere Kartonboxen. Für die Bevorratung von Verbrauchsmaterialien gibt es ein Regalsystem.

Einfache Datenübertragung

Die Aufträge werden auf einem 15“-Touchscreen Display angezeigt und gefiltert. Damit können Aufträge mit einem bestimmten Leiterquerschnitt nacheinander, ohne Rollenwechsel, abgearbeitet werden. Der Anwender kann aber auch einzelne Komponenten aus der Prozessfolge herausnehmen, zum Beispiel wenn die Markierung erst zu einem späteren Zeitpunkt direkt am Schaltschrank erfolgen soll. Für die Einspeisung der nötigen Arbeitsdaten gibt es die vorgelagerte Planungssoftware WPC-Tool. „Die Daten können, neben einer manuellen Eingabe, auch direkt aus ECAD-Programmen oder CSV-Files eingelesen werden“, nennt Kalteis einen weiteren Vorteil der automatisierten Kabelkonfektion. Es kann aber auch alles manuell eingegeben werden.

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